Crowdsourcing – Qualität oder Quantität?

Ein nicht ganz neues Schlagwort macht seit ca. 2 Jahren im Web 2.0 die Runde – Crowdsourcing.

An sich ist das Prinzip nicht neu – lediglich der Begriff, denn jede Form von Kooperation von Usern stellt eine Form des Crowdsourcing dar, indem sie Meinungen zu einem Aspekt oder Produkt austauschen, Verbesserungen vorschlagen und gemeinsam einen neuen/anderen Weg empfehlen oder suchen.

Doch das Crowdsourcing, das in den Medien umherschwirrt ist eine weitergehende Form der Kooperation – nämlich der zwischen Unternehmen und Usern.
Das ist zwar auch nicht ganz neu, denn Kundenservice (Unternehmens-seitig) und Kunden (User-seitig) haben schon seit jeher Informationen und auch Verbesserungsvorschläge ausgetauscht.
Neu, interessant und spannend zugleich ist lediglich die öffentliche Diskussion und Auseinandersetzung – speziell im Internet.

Wer profitiert von wem und warum?

Oft genug werden im Zusammenhang mit dem erwähnten Crowdsourcing Unkenrufe wie “Die klauen doch nur die Ideen!” (auf Seiten der User) oder “Da kommt zu viel Müll!” (auf Seiten der Unternehmen) laut.

Doch genau das ist die Gratwanderung und Herausforderung, die Crowdsourcing eben nicht zu einem “Kinderspiel” macht, das man so “nebenbei” erledigen kann, sondern exakte Planung, Konzentration auf das Wesentliche bzw. die Ziele und ein feines Gespür für die Umstände und natürlich auch die Wünsche der Kunden (hier: primär User) verlangt.

Weder planloses präsentieren auf Massen-Plattformen wie Facebook, Twitter, MySpace etc. noch die Aussage “das muss man jetzt überall bekannt machen” helfen, wenn es um ernsthafte Inhalte, Qualität und – sehr wichtig – langfristige Positionierung geht.
Crowdsourcing hat nur dann eine Chance, wenn die Qualität beim Wunsch nach vielen Usern nicht vernachlässigt wird.

Ein kleines Beispiel:
Viele gehen zur Unterhaltung am Abend gerne mal in ein bestimmtes Lokal.
Dieses Lokal kennt man und besucht es regelmäßig, weil einem das Publikum, das Flair und auch das Personal bzw. die Umgebung zusagt.
Man sucht dieses Lokal also auf, weil es unseren Vorstellungen eines Lokals entspricht.
Dieses Lokal wird aber vom Eigentümer entsprechend gepflegt – in Bezug auf Gäste, Stammkundschaft, Angebot etc.
Wünsche oder Vorschläge nimmt der Eigentümer/Betreiber meist gerne auf und setzt sie dann um, wenn sie den Grundvorstellungen seines Lokals und seiner Kundschaft entsprechen – doch genau das ist entscheidend.
Der Betreiber des Lokals verfolgt einen Zweck mit seinem Lokal, dem er Änderungen, Wünsche und Vorschläge unterordnet.
So entstehen “Perlen” in der großen Masse der Lokale, weil der Kunde exakt weiß, was er dort zu welcher Qualität erwarten kann und darf.
Umso wichtiger ist dies, wenn ein möglichst hoher Qualitätslevel gehalten oder erzielt werden soll.
Würde der Betreiber jeden Vorschlag, Beitrag oder Wunsch eines (x-beliebigen) Kunden umsetzen, nur um diesem einen Kunden gerecht zu werden, würde das Lokal in Kürze seinen Stellenwert (auch in unseren Augen) verlieren und die Stammkundschaft (also uns) verlieren.

Genauso verhält es sich im Internet mit diversen Plattformen und ganz besonders im Bereich Crowdsourcing.

Wen und was will ich erreichen?

Diese Frage stellt das Herzstück jeglicher Bestrebung im Bereich Crowdsourcing dar.
Erst wenn diese alles entscheidende Frage eindeutig und für jedermann verständlich formuliert werden kann, sind die nächsten Schritte relevant.

Ordnet man diese Frage aber einem sekundären Ziel (z. B. hohe Anzahl an Usern, starke User-Frequenz etc.) unter, ist das Projekt bereits zum Scheitern verurteilt, weil es sich selbst nicht tragen kann und seine eigentliche stabile Basis (das Ziel) bewusst schwächt.

Crowdsourcing = Massenveranstaltung?

Crowdsourcing ist eben keine “Massenveranstaltung”, wie man es des Öfteren liest oder es oft proklamiert wird.
Crowdsourcing ist das Wissen, die Meinung und die Erfahrung derjenigen, die das Ziel des Projektes verfolgen, unterstützen und (im Idealfall) auch maßgeblich propagieren.
Es ist daher ein sehr filigran zu steuerndes Prinzip, Massen (in Maßen) so anzusprechen, dass unter ständiger Kontrolle des gewünschten Ziels nur die für das Crowdsourcing-Projekt gewünschten und sinnvollen Inhalte gebündelt und zielorientiert bzw. effektiv genutzt werden können.

Die Masse kann nur dann als Masse wertvoll und zielgerichtet agieren, wenn sie eine klare Definition des vom Betreiber geplanten und gewünschten Ziels erhält.
Doch auch dann ist es nicht entscheidend, ob es sich um eine “Masse” im herkömmlichen Sinne handelt (Tausende, Zehntausende, Hunderttausende?), sondern darum, welchen Wert diese Masse (u. U. sogar weniger als 1.000) für das Crowdsourcing-Projekt bindet.

Sinnloses, undefiniertes “Herumstochern im Trüben” führt dagegen zum gänzlichen Verlust des eigentlichen Wertes eines Crowdsourcing-Projektes.

Ein Beispiel dazu:
Was nützt es dem Betreiber des o. g. Lokals, wenn er auch betrunkene Kunden in sein Lokal lässt, obwohl eigentlich nur eine bestimmte Klientel gehobenen Niveaus angesprochen und verköstigen werden soll?
Die Stammkundschaft wird unverzüglich abwandern (denn genau, weil diese Gäste bislang nicht im Lokal waren, hat man es sich u. a. als Stammlokal ausgesucht) und wirklich “wertvolle” Neu-Kunden werden sich erst gar nicht in das Lokal begeben.

Diese aber jemals wieder in sein Lokal zu bekommen, bedarf mehrfacher personeller und finanzieller Anstrengungen, die der Betreiber niemals hätte aufwenden müssen, wenn er die Kriterien an seine Gäste grundsätzlich von Anfang an definiert hätte.

Marketing ja, aber gezieltes “Social Media Marketing”

Natürlich sind auch Crowdsourcing-Projekte auf Werbung und neuen Input von außen angewiesen, denn das ist ja auch der eigentliche Sinn eines Crowdsourcing-Projektes, aber das entscheidende Kriterium ist auch hierbei das “Wie”.

Wieder sind wir beim planlosen “Herumstochern im Trüben” oder auch “Gießkannenprinzip” genannt.
Marketing auf allen denkbaren Plattformen, die nur ansatzweise ein entsprechendes Potenzial bieten – seien es User-Spezifikationen wie Alter, Geschlecht, Bildungsgrad oder einfach nur generelles Interesse – kann nicht als Grundlage für derartige Bemühungen herangezogen werden.
Hier unterscheidet sich bisheriges Marketing grundlegend vom sog. “Social Media Marketing”.

Im Social Media Marketing sind die Assoziationsmöglichkeit, die Bindungsfähigkeit an und die Identifikation eines Users mit einem Projekt, Produkt, einer Frage o. ä. ausschlaggebend.
Diesen User erreicht man aber nicht durch einfaches “Werben” auf einer Plattform – dieser User muss mit für ihn relevanten und zum Teil auch wertvollen Inhalten gezielt angesprochen werden.
Andernfalls erreiche ich genau jene Personen/User, die ich eigentlich nicht zur Förderung meines Crowdsourcing-Projektes benötige und möglicherweise sogar den oben erwähnten Effekt (siehe Lokal) verursachen.

Das Zauberwort lautet daher “Mehrwert” – aber beidseitig.
Social Media Marketing basiert – wie die Social Networks selbst – auf Mehrwert.
Werbung (im herkömmlichen Sinne) stellt in diesen Umgebungen keinen Mehrwert dar, sondern wird als Spam und störend empfunden.
Um also den gewünschten User überhaupt ansprechen zu können, muss er an jenem Punkt “abgeholt” werden, an dem er entweder generelles Interesse gepaart mit hoher Identifikation (Beispiel: Hobby, Freundeskreis) oder grundlegendes Interesse (Beispiel: ausgeübter Beruf) mitbringt.

Knowhow Marketing

Ich gehe daher noch einen Schritt weiter und möchte es als “Knowhow Marketing” bezeichnen.
Dabei ist nicht entscheidend, wie viele User man mit einer Marketing-Maßnahme erreicht, sondern wie viele potenzielle User damit erreicht werden, die ein ähnliches Knowhow besitzen und somit einerseits selbst die Inhalte als Mehrwert betrachten und gleichzeitig einen Mehrwert für das Ziel des Crowdsourcing-Projektes darstellen.

Gibt es einen Mittelweg?

Sicher gibt es diesen, aber er geht auf jeden Fall entweder zulasten der Quantität oder der Qualität.
Den richtigen und für das Projekt maßgeblichen Mittelweg zu finden ist immer eine Gratwanderung und bedarf der oben erwähnten Erfahrung und des damit verbundenen Gespürs.

Fazit:
Crowdsourcing kann und wird nur dann die entsprechenden Erfolge feiern, wenn das Ziel zu keiner Zeit und bei keiner noch so ausgeklügelten (“lauten”) Aktion aus den Augen verloren wird, dem Ziel zwingend alles andere untergeordnet bleibt und neue Ansätze zur Kommunikation und Außen-Darstellung eingesetzt werden.
Die Masse an Usern als Ziel für Crowdsourcing zu definieren, wird zwar kurzfristige Ergebnisse (in der Useranzahl) liefern, aber das Crowdsourcing-Projekt als solches ad absurdum führen und zum Scheitern verurteilen.

Viele Grüße Euch allen “da draußen”,
Eric

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